IST LEDER MIT EINEM VERANTWORTUNGSVOLLEN ANSATZ VEREINBAR?

IST LEDER MIT EINEM VERANTWORTUNGSVOLLEN ANSATZ VEREINBAR?

Veröffentlicht am: - Kategorie : Verbesserung
Es ist ein kontroverses Thema in der ethischen Mode von heute: ist Leder nachhaltig? Seit einiger Zeit werden Stimmen gegen Leder laut. Vegane Schuhe ohne Leder werden immer populärer. Einige unserer Kunden haben uns herausgefordert.

Ubersetzung des obenstehendem Emails: "Ich bin sehr überrascht dass Sie sich als Eco-bewusste Firma beschreiben, jedoch Leder verwenden für alle Ihre Modelle. Tierquälerei, Umweltverschmutzung, Wasserverschwendung..."

Das hat uns zum Nachdenken gebracht... wir haben uns seit Beginn von unserem Abenteuer für die Verwendung von Leder entschieden.

Die Verwendung von Leder schien uns immer als ein positiver Punkt für die Marke. Leder hat objektive Vorteile, die Synthetik nicht hat: Es ist sehr wasserabweisend, es ist warm und gleichzeitig atmungsaktiv und kühlt im Sommer. Wie alle natürlichen Materialien nimmt es Feuchtigkeit, wie Schweiss auf. Schliesslich ist es bequem und vor allem widerstandsfähig, was für einen Kinderschuh besonders wichtig ist.

Und, haben wir uns geirrt? Ganz ehrlich, haben wir uns diese Frage von Anfang an gestellt. Und wir haben sowohl das Leder als auch unsere Lieferanten und die Gerbereien, mit denen wir zusammenarbeiten, ganz bewusst ausgewählt.

Deshalb wollten wir unsere Gedanken noch einmal erläutern und die Erkenntnisse unserer Nachforschung und unsere Erfahrungen in aller Ehrlichkeit teilen

Hier sind die 3 Themen, an denen wir am meisten gearbeitet und nach Lösungen gesucht haben:

- Was sind die Folgen der Verwendung einer tierischen Ressource?

- Was sind die ökologischen Auswirkungen von Leder?

- Was sind unsere Alternativen?

Was sind die Folgen der Verwendung einer tierischen Ressource?

Die Frage nach unserer Beziehung zu anderen Lebewesen

Um unsere Entscheidung für Leder zu "verteidigen", argumentieren wir oft mit einem Punkt, an den wir aufrichtig glauben: Leder ist die erste Erfindung des Upcyclings! Tatsächlich werden damit nur Abfälle aus der Lebensmittelindustrie wiederverwendet. Das ist ein echtes Argument, denn die Viehzucht bezieht fast ihr gesamtes Einkommen aus Milch und Fleisch. Die Nutzung von Leder ist nur ein Upcycling der Abfälle.

Wir dürfen jedoch nie vergessen, dass es sich um eine lebende Ressource handelt. Leder ist also, egal wie klein, eine Möglichkeit, von der Ressource Tier zu profitieren, das ist eine Tatsache. Jedoch ist unsere Erkenntnisse nicht positiv. Das Lebensmittelmarketing hat in den letzten 50 Jahren nur das Produkt verherrlicht, das bei der Verarbeitung von Tieren entsteht, ohne jemals über die Tiere und ihre Behandlung zu sprechen. Einige Skandale haben die Missstände in dieser Industrie ans Licht gebracht.

Tierethik

Leugnen wir es also nicht, ja, Tiermissbrauch existiert. Eines ist sicher, die Intensivzucht ist eine Quelle des Tierelends. Das Beispiel der 19.000-Kuh-Farm in Neuseeland ist erschreckend. Die Länder, die diese Art der Zucht intensiv betreiben, sind die Vereinigten Staaten, Brasilien, Indien und Argentinien. Der Grossteil des Leders für die industrielle Nutzung kommt aus diesen Ländern. In Europa ist das Phänomen ebenfalls vorangeschritten, hält sich aber in Grenzen. Die Europäische Union erwägt derzeit sogar, die Subventionen für intensive Strukturen einzuschränken. Auch hier ist das Bio-Modell in voller Entwicklung. Es ist daher notwendig, die kleineren Betriebe zu begünstigen, die sich viel besser um ihre Tiere kümmern und die historisch gesehen im europäischen Ländern zu finden sind. Unsere Herausforderung ist es, die Herkunft des Tierproduzenten zu kennen, der das Leder an die Gerberei liefert... Ehrlich gesagt, ist das kompliziert. Wir kennen zwar die Herkunft des Landes, aber sehr selten die Details der Lieferkette und können eine Ausbeutung nicht ausschliessen. Dies ist einer unserer wichtigsten.

Diskussionspunkten mit unseren Gerbereien, mit dem Ziel die Rückverfolgbarkeit der Lieferkette zu verbessern.

Die Frage der Rückverfolgbarkeit von Leder

Im Moment gibt es keine unabhängige Organisation, die die Herkunft eines Leders (geografisches Herkunftsgebiet, die Zuchtbedingungen, die Art der Gerbung) zertifizieren kann. Die meisten Marken kaufen einen Schuh von einer Fabrik. Es spielt keine Rolle, woher das Leder kommt, es ist Teil des fertigen Produkts und ist nur ein weiterer Punkt in den Herstellungskosten des Schuhs.

Nur wenige Hersteller sind transparent. Es ist sehr, sehr undurchsichtig. Für uns ist das eine echte Herausforderung. Wir versuchen, die Mentalität unserer Zulieferer mit unseren eigenen kleinen Richtlinien zu ändern. Indem wir Fragen stellen, nachhaken, nach der Herkunft fragen, wird das Thema konkret und fassbarer. Wir haben für jede Kollektion ein Lieferanten-Follow-up eingerichtet. Jedoch müssen wir immer darum kämpfen, dass wir die Informationen bekommen.

Deshalb haben wir aufgrund fehlender perfekten Rückverfolgbarkeit seit Beginn der Marke beschlossen, uns ausschliesslich von europäischen Rinderproduzenten beliefern zu lassen und diese Herkunft permanent zu kontrollieren. Dies ist zumindest ein erster Schritt. Darüber hinaus ist der Kauf unserer Leder von traditionellen Gerbereien in Spanien, Portugal und Italien auch eine Garantie für die Versorgung europäischer Tiere in der Umgebung.

Ist Leder weniger nachhaltig als andere Materialien in Kinderschuhen?

Es gibt 3 mögliche Quellen: Wasserverbrauch, Treibhausgase und Verschmutzung im Zusammenhang mit dem Gerben.

Wasserverbrauch

Die Rinderzucht ist sehr wasserintensiv, das ist sicher. Jedoch, viel weniger als andere wie Reis, Schweinefleisch, Schafe oder Mandeln, aber mehr als Soja, Milch oder Mais.

Als wir das Thema untersuchten, wurde uns schnell klar, dass das Hauptproblem hinter dieser Beobachtung die Frage nach der möglichen Erschöpfung der Ressource ist. Mehr als 90 % des von europäischen Rindern verbrauchten Wassers ist sogenanntes "grünes" Wasser, d.h. Regenwasser, das ohnehin auf das Feld gefallen wäre, Kuh hin oder her. Das Problem ist also wieder einmal geografisch bedingt. Länder mit hoher Wasserknappheit, wie z.B. Indien oder Brasilien, schöpfen viel mehr aus sogenanntem "blauem" Wasser, d.h. aus Grundwasser, als europäische Länder mit gemässigtem Klima. Unsere europäische Viehwirtschaft ist vor allem im Norden Europas ansässig: siehe Karte (Quelle consoglobe.com) und damit in einem Klima, in dem es oft regnet.

Die europäische Landwirtschaft verbraucht daher viel weniger Wasser als andere, wie auf dieser sehr aufschlussreichen Karte der FAO zu sehen ist:

Treibhausgase

Die Viehzucht ist auch für einen wesentlichen Teil der Treibhausgase verantwortlich, und zwar wegen der Gase, die von den Kühen und dem von ihnen verzehrten Getreide ausgestossen werden, welches eine Menge Treibhausgase erzeugt. Aber auch hier gilt, dass europäische Kühe laut GLEAM der FAO viel weniger Treibhausgase ausstossen als ihre südamerikanischen und asiatischen Artgenossen. Das liegt an unseren gemässigten Weiden, an 0 Entwaldung, an gesunden Tieren und an einem lokal produzierten Futter.

Wenn es um Treibhausgase geht, ist auch die Lebensdauer eines Lederschuhs ein Element, das in der Energiebilanz zu berücksichtigen ist, besonders im Vergleich zu anderen textilen Materialien. Wenn man weiss, dass es 24 Kollektionen pro Jahr in Fast-Fashion-Läden gibt und Schuhe für 25 CHF pro Paar verkauft werden, kann man berechtigterweise denken, dass ein Lederschuh, der gepflegt werden kann, länger hält. Wir beweisen es mit TEXAID, die unsere Modelle mögen, weil sie leichter für ein 2. Leben recycelt werden können , was eine neue Produktion vermeidet, also weniger Treibhausgase.

Die Frage der Ledergerbung

Schlussendlich die Gerbung von Leder. Die Umwandlung einer Tierhaut in Leder durchläuft einen langen Prozess, der "Gerben" genannt wird. Die am häufigsten verwendete Methode ist die mineralische Gerbung mit Chromsalzen. Dies ist das von Benjie verwendete Verfahren. Ab der Winterkollektion 2021 werden wir eine chromfreie Gerbung für unser Innenleder verwenden.

Es gibt zwei mögliche Probleme mit Chrom. Seine Migration durch Oxidation in Chrom VI kann Allergien und Hautreaktionen verursachen... Glücklicherweise muss ein Lederprodukt, das in Europa vermarktet werden darf, frei von Chrom VI sein. Chrom VI kommt in Gerbereien vor, die billiges Leder herstellen. Um die Preise niedrig zu halten, halten sie die Trocknungs- und Einweichzeiten nicht ein. Chrom VI entsteht während dieses schlecht kontrollierten Prozesses.

Das andere ernsthafte Problem liegt auf der Produktionsseite. Wenn sie nicht behandelt werden, verschmutzen die verwendeten Chromrückstände die direkte Umgebung der Gerbereien und vergiften die Arbeiter und die lokale Bevölkerung. Auch hier muss eine Gerberei dank der europäischen Richtlinie n°2000/60/CE ihre Mitarbeiter schützen und das verschmutzte Wasser behandeln. Aber wie sieht es in den Lederproduktionsgebieten ohne Schutzvorschriften aus (in Marokko, Tunesien, Brasilien, aber vor allem in Bangladesch und Indien). Stellen Sie sich vor, eine Gerberei gibt Chromrückstände in einen Fluss ab...

All diese Gründe haben uns von Anfang an dazu bewogen, unser Leder nur von traditionellen portugiesischen, spanischen oder italienischen Gerbereien zu beziehen.

Was sind die Alternativen zu Leder?

Was kann Leder ersetzen? Es gibt heute 2 Alternativen: entweder Kunstleder ("Plastik"-Leder) oder sogenannte pflanzliche Leder (zum Beispiel auf Apfel- oder Ananasbasis). Die erstgenannten haben wir von vornherein verworfen: Sie basieren zu 100 % auf Erdöl und heben alle positiven Effekte von Naturleder auf: Atmungsaktivität, Geschmeidigkeit, Festigkeit...

Pflanzliches Leder: Der Teufel steckt im Detail

Pflanzliches Leder hat auf den ersten Blick einen positiven Aspekt. Es vermeidet alle Konsequenzen, die mit der Verwendung einer tierischen Ressource verbunden sind.


Aber... bei näherer Betrachtung hat das Produkt auch negative Seiten... Um die natürlichen Funktionen von Leder zu imitieren (jedoch nicht zu erreichen), benötigt pflanzliches Leder einen chemischen Prozess. Die textile Basis wird mit einem Polyurethanharz beschichtet. Sicherlich ist die textile Basis von pflanzlichen Ledern toll, weil sie aus Abfällen stammt. Aber, es bleibt der Anteil von Petrochemie und dieser macht fast 50% der Verbindung des Stoffes aus. Zum Verständnis: Das Ananaspüree schwebt nicht in der Luft. Es ist notwendig, es auf einem Träger zu fixieren, und dieser ist ein Harz aus Polyurethan. Also Kunststoff oder Öl.

Low-tech versus High-tech

Schliesslich gibt es zwei gegensätzliche Philosophien. Auf der einen Seite die High-Tech-Welt der wissenschaftlichen Forschung, die daran arbeitet, Ersatzharze zu finden, die Plastik verbannen. Auf der anderen Seite die Low-Tech-Welt der Gerber, ein Handwerk, das auf einer uralten Technik beruht.

Diese neuen Materialien verlocken uns... Aber momentan sind die Zuverlässigkeit, der Preis und vor allem die Widerstandsfähigkeit (ein Schlüsselfaktor bei einem Schuh für Kinder) noch nicht gegeben. Ausserdem bleibt das alles ziemlich undurchsichtig. Wir sprechen von grossen Labors, die eigene Technologien besitzen. Das fertige Material, das wir verwenden werden, liegt also ausserhalb unserer Kontrolle.

Wir sind also weit entfernt von einer Struktur, wie eine Gerberei in Portugal, die eine Technik praktiziert, die seit Jahrhunderten von allen geteilt wird und bekannt ist.

Unser Test mit Ananasleder

Im Herbst 2019 haben wir einen Benjie in Ananasleder getestet. Wir wollten sehen, wie sich das Material unter realen Bedingungen schlägt.

Vorerst bleiben wir aus zwei Gründen bei unseren aktuellen Rohstoff.

Die Widerstandsfähigkeit ist noch mittelmässig. Wir stellen einmal mehr fest, dass bei Kindern die Einschränkung der Beständigkeit komplexer ist als bei Erwachsenen... Dieses Leder hat man schon auf Damentaschen von Luxusmarken gesehen. Aber auf der gesamten Oberfläche eines Kinderschuhs eingesetzt, erwies sich vor allem die Abriebfestigkeit als sehr problematisch. Der Schuh sah nach einer Woche völlig abgenutzt aus. Und eine Pflege z.B. mit Schuhcreme war nicht möglich.

Zusätzlich, und nach der gleichen Logik wie oben beschrieben, ist es notwendig, eine Rückverfolgbarkeit aufzubauen, die heute nicht existiert. Wie sieht die Lieferkette aus? Woher kommt die Ananas? Wie werden sie angebaut und von wem? Besteht die Gefahr des Raubbaus? Denn das Material wird nicht beim Bauern oder in der Gerberei hergestellt, es kommt aus einem Labor. Es ist also ein fertiges Produkt.

Also work in progress!

Fazit...

Wenn wir also unseren Entscheid zu Leder zusammenfassen, können wir folgendes sagen:

- Leder ist unserer Meinung nach immer noch das effizienteste Material für einen Kinderschuh und kein anderes künstliches Material kann seine natürlichen Eigenschaften und seine Widerstandsfähigkeit kopieren.

- Es ist unmöglich, eine Zucht ohne Tierleid zu garantieren, aber wir denken, dass es kurzfristig die beste Strategie ist, die Entwicklung von kleinen Farmen auf Kosten der intensiven Zucht zu fördern. Wir denken auch, dass der Kauf von europäischem Leder, wo die Presse und die Tierschutzvereine frei arbeiten können, die Ergänzung zu einer Regelung in dieser Angelegenheit sind, während wir auf eine offiziellere Rückverfolgbarkeit warten.

- Es liegt in unserer Verantwortung, unsere Lieferanten einzubeziehen, sie zu sensibilisieren und sie zu drängen, ihre Lieferkette zu klären.

- Die Viehzucht verbraucht viel Wasser und trägt zu Treibhausgasen bei, in Europa jedoch viel weniger. Dieser Effekt wird zudem durch die Langlebigkeit von Leder im Vergleich zu Textilien gemildert.

- Schliesslich sind alle anderen Materialien von Petrochemikalien abhängig, weil sie Polyurethan benötigen, selbst pflanzliche Leder. Letzteres basiert ebenfalls auf einem High-Tech-Modell, das uns weniger vorteilhaft für die Gemeinschaft scheint als das traditionelle europäische Low-Tech-Modell der Gerberei, das eine lokalere und Menschen-nähere Wirtschaft begünstigt.



Fazit: Ja zu zurückverfolgbarem Leder, nur europäischer Herkunft, wobei wir ein offenes Auge auf zukünftige pflanzliche Entwicklungen haben, von denen wir hoffen, dass sie widerstandsfähiger, weniger hochtechnologisch und nicht von der Petrochemie abhängig sind!

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